Sportrechtlerin und ehemalige Sportexpertin bei Sportradar Anja Martin im Interview

In einem Radio Interview mit dem Deutschlandfunk hat sich Sportrechtlerin Anja Martin zu Spielmanipulation und Wettbetrug im Sport geäußert. Angenehm war das Interview deshalb, weil man mit Anja Martin nicht eine selbsternannte Expertin heranzieht, die dann gegen Sportwetten wettert, sondern eine echte Expertin, die Jahre für Sportradar tätig war. Damit kennt die Frau sich wirklich aus du ist nicht von vornherein gegen Sportwetten eingenommen. Sie lässt sich eher als eine Expertin einordnen, die Probleme dort sieht, wo sie wirklich sind. Im Folgenden habe ich die Kernaussagen des Interviews einmal zusammengefasst.

interview-1714370_640

Sportmanipulation ist dort zuhause, wo große Summen gewettet werden

Wettmanipulation, so führt Anja Martin aus, sein vor allem dort ein Thema, wo große Summen gewettet werden. Dies sei in unseren Breitengraden vor allem der Fußball. Die Bundesliga, deren Ethik Kommission Anja Martin angehört, nehme ihrer Auffassung nach aber das Problem ernst.

Wettmanipulation ist auch dort zuhause, wo Spieler schlecht bezahlt werden. Denn schlecht bezahlte Spieler sind leichter käuflich. Dies gilt zwar nicht nur für den Fußball, sondern viel mehr noch in manch anderen, grundsätzlich unterbezahlten Sportarten. Im Fußball aber bedeutet dies, dass vor allem Spiele in Osteuropa von Wettmanipulation leicht betroffen sein könnten. Denn während in Europas Topp Ligen wie Premier League und Bundesliga die Spieler allesamt Millionen verdienen können, und das Geld durch Spielmanipulation gar nicht brauchen, sind Spieler in Osteuropa oft deutlich unterbezahlt und geraten in finanzielle Not. Ein Punkt, der sie extrem anfällig macht, für Angebote der Betrüger.

Allerdings konnten wir in der Vergangenheit auch beobachten, dass gut bezahlte Spieler nicht alles sind. Der letzte wirklich große Bundesliga Manipulationsskandal um Schiedsrichter Hoyzer zeigte dies nur zu genau. Denn die unparteiischen verdienen nun mal keine Millionenbeträge. Hier, so gab die Expertin an, gab es schon recht vernünftige Ansätze für die Endphasen der Wettbewerbe. Diese sollten allerdings auf gesamte Turniere ausgeweitet werden.

Besonders wahrscheinlich wird Wettmanipulation laut Anja Martin übrigens dann, wenn alle beteiligten profitieren. Nützt es beispielsweise zwei Teams gleichermaßen unentschieden zu spielen, und die Wettbetrüger können das Ergebnis dann auch noch vorhersehen, dann ist dies der fruchtbarste Boden für kriminelle Elemente, den es im Bereich des Fußballs gibt. Zusammen mit anderen Faktoren natürlich, wie Geldmangel.

Fußball ist prominent aber nicht am anfälligsten für Wettbetrug

Weiterhin führte Sportrechtlerin Anja Martin im Interview mit dem Sender detailliert aus, dass Fußball gar nicht das anfälligste ist was Sportbetrug angeht. Die wahre Gefahr liegt in Individualsportarten verborgen. Also in solchen, die kein Teamplay erfordern, sondern schon von einem einzelnen Spieler beeinflusst werden können. Als Beispiel nannte die Frau hier Tennis. Und tatsächlich sind Tenniswetten sogar noch recht populär.

Das Radio Interview mit Anja Martin war aufschlussreich.

Das Radio Interview mit Anja Martin war aufschlussreich.

Weiterhin führte Anja Martin in ihrer Darlegung aus, dass nicht einmal ein Spiel verloren werden muss, will man sich etwas dazu verdienen. So sind beispielsweise heute bei Tenniswetten auch Livewetten auf den nächsten Satz oder Ballwechsel möglich. Es genügt schon einen vorher definierten Spielabschnitt zu verlieren. Ein sonst deutlich überlegener Spieler muss nicht einmal das Spiel verlieren, will er sich sein Einkommen mit Manipulation aufbessern.

Welche Sportarten kommen noch für Wettbetrug infrage?

Welche Sportarten noch für Wettbetrug als leichtes Ziel infrage kommen lässt sich mit der Frage beantworten, welches weitere Individualsportarten sind. Hier kommt es alleine darauf an, dass ein individueller Athlet alleinig für sein Ergebnis verantwortlich ist. Auch wenn Anja Martin, die Sportanwältin aus München, hier in ihrem eher kurzen Interview nicht im Detail darauf eingegangen ist, so möchte ich den Lesern hier doch einen kleinen Eindruck verschaffen und einige Beispiele nennen.

Neben Tennis kommt hier beispielsweise Tischtennis infrage. Das naheliegende, doch längst nicht einzige Beispiel. Tatsächlich sind auch sämtliche Kampfsportarten betroffen. Nicht umsonst ist es das Klischee vom Boxer, der in einer vordefinierten Runde zu Boden geht, welches im Filmgeschäft immer wieder zitiert wird.

Aber nicht nur Tenniswetten oder Boxwetten können betroffen sein. Auch Wetten auf Leichtathletik oder Wetten auf Wintersport können unter Umständen ein gutes Ziel sein. Hat ein Teilnehmer ohnehin nicht den Eindruck einen Wettbewerb gewinnen zu können. Beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen heraus kann so etwas vorkommen. Dann kann er durch gezieltes Drosseln der Leistung für ein unerwartet frühes Ausscheiden sorgen.

Und sogar eSport Wetten können betroffen sein. Es gibt einige Spiele, in denen treten Spieler Mann gegen Mann an und nicht im Team. Im weitesten Sinne ist auch dies eine Individualsportart. Und Wettbetrug im eSport gab es immerhin schon. Neu ist der Bereich den Betrügern also nicht.

Wie will Anja Martin gegen Wettmanipulation vorgehen?

Wettbetrug will Anja Martin am effektivsten dadurch bekämpfen, dass Sportwetten und Märkte sowie auch Wettbewerbe gezielt durch ständiges Monitoring erfasst und auf Unregelmäßigkeiten überprüft werden. So ganz zufällig erscheint der Plan der Expertin nicht entstanden zu sein. Denn immerhin ist es dies, und nichts Anderes, womit der ehemalige Arbeitgeber Sportradar sein Geld verdient.

Meiner Ansicht nach ist Anja Martin hier aber dennoch auf einem guten Weg. Ständiges Monitoring, also lückenloses Beobachten der Leistungen einzelner Athleten und der Wettmärkte kann Muster aufdecken. Kann ein Athlet einmal tatsächlich in schlechter Form sein und deshalb einen „Statistischen Ausreißer“ in der Leistung bedingen, so fallen Wiederholungsfälle doch schnell auf. Und die Geschichte zeigt: Wer einmal mit Betrügern kooperiert hat, der wird nicht wieder so schnell vom Haken gelassen. Wiederholungen dürften eher die Regel sein, als die Ausnahme.

Auch einmalige Fälle können Aufmerksamkeit erregen. Beobachtet man die Leistungen der Sportler und gleichzeitig die Wettmärkte, dann fällt sicher auf, wenn auf ein unvorhersehbares Ergebnis plötzlich außergewöhnlich viele Einsätze erbracht werden.

Sportrechtlerin Anja Martin begrüßt die Legalisierung von Sportwetten

So gesagt hat Anja Martin dies zwar nicht. Als Expertin die sie ist wäre dies auch wenig schlau gewesen und hätte zu viele Gegner zum Protest animiert. Doch wenigstens indirekt muss Anja Martin an dieser Stelle zugutegehalten werden, dass sie wohl eine Legalisierung und gesetzliche Regelung der Wettmärkte für hilfreich hält. In Deutschland und auf der ganzen Welt. Denn was legal ist, statt ein Dasein in einer Grauzone zu fristen, und sich an gewisse Regeln halten muss um legal zu bleiben, dass lässt sich leichter beobachten und analysieren. Außerdem könnte ein offizieller und legaler Wettmarkt den illegalen Markt streckenweise weit verdrängen.

Hierbei sollte man allerdings nicht in nationalen Grenzen denken. Will beispielsweise Deutschland die Sportwetten nun erlauben, dann bieten sich in Nachbarländern, in denen die Märkte nicht reguliert werden, noch immer genug Spielraum, in denen es kriminellen zumindest leichter fällt sprichwörtlich unter dem (Sport)Radar zu fliegen. Hier bräuchte es meiner Ansicht nach, will man den guten Ideen der Expertin folgen, Europäische Lösungen. Oder welche, die sogar noch weit über Europa hinausgehen.

letztendlich sollten sich wohl Länder zusammensetzen und einheitlich regulieren.

letztendlich sollten sich wohl Länder zusammensetzen und einheitlich regulieren.

Mein Fazit zum Interview der Anja Martin

Es ist schön im gehobenen Programm, wie der Deutschlandfunk eins ist, mal nicht nur politisch motivierte Extreme zu hören, die für ein sofortiges Verbot von Sportwetten plädieren. Vielmehr hatte das Interview, welches hier natürlich nicht in seiner Gänze dargestellt werden soll sondern nur die wichtigen Punkte, ein für mich als Zuhörer ausgewogenes Verhältnis zwischen berechtigtem Aufzeigen von Problemen und Offenheit der Materie gegenüber.

Auch die Lösungsansätze der Anja Martin erscheinen durchaus sinnvoll, wenngleich man ihr hier vielleicht ein winziges Maß an Lobbyarbeit für Sportradar unterstellen könnte.

Hier bereits mit eingearbeitet habe ich aber auch erhebliche Probleme, die in Verbindung mit den Expertenaussagen keinesfalls unter den Tisch fallen dürfen. Was hilft dem Sport im Ganzen oder dem Sportwetter, wenn beispielsweise einige Ligen im Alleingang sauber gehalten werden, in manchen Nachbarstaaten aber die Betrüger noch guten Nährboden finden? Spätestens in internationalen Wettbewerben mischen sich unproblematische und problematische Gebiete dann doch wieder. Und sei es nicht in den ganz großen Wettbewerben wie der Champions League oder der Europa League, dann doch im Bereich einiger Testspiele gegen andere europäische Clubs.

Meiner persönlichen Meinung nach bleibt aus dem Interview mit Anja Martin vor allem eines hängen: Es braucht eine weitaus bessere internationale Einigkeit und Zusammenarbeit im Sport, aber auch in der Politik, will man Sportwetten sicher machen und die Integrität des Sports selbst stärken.